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Gestatten, Smithers, Outdoor-Dorado in BC

Kennst du schon Smithers? Wie bei jeder neuen Urlaubsbekanntschaft ist auch hier eine kurze Vorstellung angebracht: etwas kleiner, jung geblieben, naturverbunden und mit leichtem Schweizer Einschlag. Vor seiner Haustür liegen ein Skiberg und die Straße runter ein fantastisches Freeride-Gebiet, das einheimische Visionäre als kostenloses Skitouren-Resort angelegt haben.

Hier stapft ein Elch genüsslich kauend durch den Vorgarten, dort drängen sich ein paar Hirsche auf der Suche nach Wärme an die Hauswand. Der knurrende Bär am Flughafen war zum Glück genauso ausgestopft wie die beiden gigantischen Forellen in ihren Vitrinen. Der Alphornbläser, der knietief im Schnee an der Mainstreet steht, hat seinem Instrument noch nie einen Ton entlockt – der ist aus Holz und Nachfolger von „Alpine Al“, einer Statue, die nach mehr als 40 Jahren Dienst an selber Stelle in den Ruhestand verabschiedet wurde. Gefühlt jeder dritte Shop entlang der Hauptstraße hat Outdoor-Artikel im Sortiment. Willkommen in Smithers!

Hand aufs Herz, wer hat Smithers für den nächsten Winterurlaub ganz oben auf der Liste? Vielleicht für den Sommer? Bei den meisten Kanadareisenden taucht das Städtchen vermutlich nicht auf dem Radar auf. Und wenn sie es doch kennen, heißt das nicht, dass sie es auf der Reiseroute einplanen. Dafür liegt Smithers oben in British Columbia (BC) einfach zu weit abseits der üblichen Touristenströme bei Vancouver oder Whistler.

Smithers: Ski, Boards und Angelruten

Wobei, ganz bestimmte Gruppen verschlägt es dann doch regelmäßig nach Smithers. Skifahrer und Snowboarder nutzen das Backcountry zum Einfahren fürs Heliskiing oder Catskiing. Die Unternehmen Skeena Heliskiing und Skeena Cat Skiing sind nicht allzu weit entfernt. Und im Sommer kommen die Angler. Die Gewässer rund um Smithers sind so berühmt für ihre Regenbogenforellen, dass manche mit Angelruten bewaffnete Großstädter extra mit dem Heli für ein Wochenende einfliegen. Eine besonders beliebte Stelle am Bulkley River haben die Einheimischen „Idiot Rock“ getauft. Dort stehen die Angler teilweise Schulter an Schulter, hin und wieder kommt es zu körperlichen Auseinandersetzungen um die beste Position.

Von solchen Zuständen sind die Wintersportler meilenweit entfernt. Bei meinem Besuch treffe ich kaum andere Leute auf der Piste und es scheint schwer vorstellbar, dass überhaupt schon mal jemand am Lift anstehen musste. Es ist allerdings auch unter der Woche. Da die Begeisterung für Sport und Natur der größte gemeinsame Nenner der Einwohner von Smithers sein dürfte, geht es manchmal sicher deutlich betriebsamer zu.

Schlange stehen am Lift? Nicht am Hudson Bay Mountain. © A. Hottenrott

Diese Begeisterung ist auch einer der besten Gründe für einen Abstecher nach Smithers, denn die Menschen dort lassen Besucher gerne daran teilhaben. Wo sonst begleitet der Besitzer eines Outdoor-Ladens unbekannte Skifahrer ganz selbstverständlich auf Skitouren, wo opfern Bürger beinahe ihre ganze Freizeit, um ehrenamtlich neue Trails durch den Wald zu schlagen? In einer Werkstatt kann man einem Tüftler über die Schulter schauen, der seine großartigen Ski sogar an Heliskiing- und Catskiing-Unternehmen verkauft. Und der Bürgermeister verlässt sein Büro, um Gästen das örtliche Skigebiet persönlich vorzustellen und dabei eine verdammt gute Figur auf Skiern zu machen.

Skiing with the mayor am Hudson Bay Mountain

Was an Taylor Bachrach direkt auffällt: Für einen Bürgermeister sieht er jung aus, auf seine – tatsächlich auch erst – 40 Jahre hätte man ihn wohl kaum geschätzt. Nach Smithers passt er damit perfekt. „Wir sind eine sehr junge Community“, erzählt Taylor. „Viele junge Familien ziehen hierher, aber auch einige Rückkehrer, die zuletzt woanders gelebt haben. Alle schätzen die hohe Lebensqualität und die unglaublich schöne Natur um uns herum.“

Zur hohen Lebensqualität trägt bei, dass der Hausberg von Smithers nur ein paar Minuten vom Zentrum entfernt liegt, eine Abfahrt führt direkt zurück an den Stadtrand. Der Hudson Bay Mountain punktet nicht mit kilometerlangen Runs aller Schwierigkeitsstufen. Für ausgiebigen Spaß am freien Tag reicht es aber locker, zumal man für eine Runde Tree Skiing immer wieder zwischen den Bäumen verschwinden kann und die Aussicht vom Gipfel über die weiten, bewaldeten Ebenen sicherlich nicht nur Smithers-Neulinge innehalten lässt.

Neben einem in die Jahre gekommenen Sessellift schleichen zwei Schlepplifte den Hudson Bay Mountain hinauf. Als wir an einem der beiden ankommen, stellen wir fest, dass er außer Betrieb ist. „Unter der Woche läuft der nie, weil zu wenig Leute da sind“, erklärt ein Mitarbeiter des Resorts später an der Talstation und ergänzt mit einem Augenzwinkern in Richtung Taylor: „Dafür verbrennen wir keinen Diesel – auch nicht für einen Bürgermeister, der mal zum Skifahren vorbeischaut.“

Hütten wie diese findet man überall am Hudson Bay Mountain. © A. Hottenrott

Dabei ist Taylor Stammgast im Skigebiet. Schließlich besitzt er eine der winzigen Hütten, die sich über eine Flanke des Berges verteilen. Manche davon kann man mieten und von dort aus Skitouren unternehmen. Dass man den Winter komplett im Skigebiet verbringt, nehmen nicht einmal die Betreiber an. Eine Backcountry-Checkliste mit Hinweisen fürs Gelände hängt unten am Bistro aus zusammen mit dem Hinweis, dass die Ski Patrol bei Fragen weiterhilft.

Viele der Hütten wirken sympathisch altmodisch, wie aus Großvaters Zeiten: überlappende Holzkacheln als Fassade, historische Wintersportausrüstung als Schmuck über der Tür, ein die dicke Schneedecke durchstechender Metallschornstein auf dem Dach. Das Modernste sind die obligatorischen Schneemobile neben dem Eingang.

Taylors Häuschen stammt aus den 1960ern. „Ohne Strom, ohne fließendes Wasser, nur ein Solarpanel für das Radio. Als ich die Hütte gekauft habe, sah sie aus, als hätte jemand in den 1970ern eine Party darin gefeiert und sei dann einfach abgehauen. Im Dach haben Vögel genistet.“ Stück für Stück wurde alles renoviert, nun lädt der Rückzugsort dazu ein, freie Stunden mit ein wenig Komfort in relativer Abgeschiedenheit zu verbringen.

Nach Schweizer Vorbild

Eine städtische Hektik, der man aus Smithers heraus entkommen müsste, gibt es allerdings nicht. Ob es daran liegt, dass der 5.000-Seelen-Ort schon seit den 1930er Jahren eine große Schweizer Community hat? Den Eidgenossen sagt man schließlich eine gewisse Bedächtigkeit nach. Auf jeden Fall erklärt dieser Umstand das Alpenthema, das dem Städtchen verpasst wurde. Neben „Alpine Al“ (dem II.) gibt es das „Alpenhorn Bistro“ und viele Häuser entlang der Mainstreet erinnern mit ihren verzierten Fensterläden und Balkonen an diejenigen in Schweizer Bergdörfern, auch wenn die Bandbreite an verwendeten Farben die europäischen Originale bei weitem in den Schatten stellt.

Ein Hauch von Schweiz in der Main Street von Smithers. © A. Hottenrott

Ihr ganz eigenes Original haben die Bewohner von Smithers an anderer Stelle geschaffen. Mit der Hankin-Evelyn Backcountry Recreation Area legten sie in Eigenregie einen riesigen Spielplatz für Freerider an, der weltweit vermutlich einzigartig ist. Initiator war Brian Hall, Inhaber des Hotels „Stork Nest Inn“ im Ort. Der machte im Bulkley Valley einst ideale Bedingungen für Skifahrer und Snowboarder aus. Allein: Es gab keinerlei Infrastruktur. Nur eine Vision.

Freeride-Paradies in Handarbeit

Um sie wahr werden zu lassen, scheute Brian keine Mühen. Er kümmerte sich zunächst um Gelder von der Regierung, mit denen er Maschinen von Holzfällern mietete. Später bekam er breite Unterstützung aus lokaler Politik und Wirtschaft. In jeder freien Minute arbeiteten er und seine Mitstreiter daran, eine alte Holzfällerstraße wieder in Schuss zu bringen, Aufstiege und Abfahrten möglichst umweltschonend in den Wald zu schlagen, einen ausrangierten Feuerwehr-Ausguck zu restaurieren und eine Hütte als Rastplatz zu errichten.

„Nach Smithers kommt man normalerweise nicht wegen eines Jobs, sondern wegen der Outdoor-Möglichkeiten“, erzählt Brian. „Mit Hankin-Evelyn wollen wir einen Platz für Ski- und Snowboard-Touren bieten, an dem auch unsere Enkel noch ihre Freude haben, an dem Gleichgesinnte zusammenkommen und einfach ein paar gute Stunden verbringen.“

Das Hankin-Evelyn-Skitourengebiet bei Smithers ist ein Traum für Freerider. © A. Hottenrott

Schon auf dem Highway ist das Terrain ausgeschildert, sowohl am Parkplatz als auch an der Hütte oben kann man seine LVS-Ausrüstung checken. Die unterschiedlichen Routen sind mit Nummern versehen. Mehr als zehn Runs haben Brian und seine Kumpels bereits angelegt und kartographiert, doch die Arbeit endet damit lange nicht. Im Sommer werden die bestehenden Abfahrten gepflegt und neue geplant, im Winter muss die Zufahrt in Stand gehalten und von Schnee befreit werden. All das geschieht auf freiwilliger Basis.

Ein Touristenmagnet ist Hankin-Evelyn nicht. Das Gebiet ist gemacht von Locals für Locals, die die Berge und die Risiken einschätzen können. Offizielle Guides gibt es erst gar nicht. Der gelegentliche Outdoor-Enthusiast ist aber herzlich willkommen, genauso wie die durchreisenden Heliskier und Catskier. Doch das reicht dann auch. Schließlich macht die Einsamkeit am Berg, die Erhabenheit der gewaltigen Naturkulisse, einen Großteil des Reizes aus. Verhältnisse wie am Idiot Rock zur Forellensaison will in dieser Winteridylle schließlich keiner, oder?

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